EU-Zollreform

EU-Zollreform: Digitale Transformation der europäischen Zollunion nimmt Fahrt auf

Die Europäische Union steht vor der größten Reform ihrer Zollunion seit deren Gründung 1968. Nach der grundsätzlichen Einigung der EU-Mitgliedstaaten im Rat Ende Juni 2024 gehen die Verhandlungen zur umfassenden Modernisierung des Unionszollkodex (UZK) nun in die entscheidende Phase . Die Reform soll die EU-Zollunion fit für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts machen und dabei sowohl die Effizienz steigern als auch die Sicherheit erhöhen.

Durchbruch in den Trilog-Verhandlungen (Juni 2025)

Ein entscheidender Meilenstein wurde am 25. Juni 2025 erreicht: Bei den sogenannten Trilogverhandlungen die zwischen dem Rat der EU, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission stattfinden, kam zu einer wegweisenden Einigung über die EU-Gesetzesvorschläge zur Zollreform. Diese Einigung markiert den Abschluss der intensiven Verhandlungsphase zwischen den drei EU-Institutionen.

Bestätigung durch den EU-Rat (27. Juni 2025) Nur zwei Tage später, am 27. Juni 2025, bestätigten die EU-Mitgliedstaaten im Rat ihre gemeinsame Position zur Reform der EU-Zollunion. Diese finale Positionierung des Rates stellt einen wichtigen Meilenstein in den Verhandlungen zum neuen Unionszollkodex (UCC) dar und ebnet den Weg für die Umsetzung der Reform.

Warum die Reform jetzt unumgänglich ist

Die aktuelle Struktur der EU-Zollunion steht unter enormem Druck. Der explosionsartig wachsende E-Commerce-Handel, verschärfte regulatorische Anforderungen und sich wandelnde geopolitische Herausforderungen überlasten die bestehenden Systeme. Besonders problematisch sind die uneinheitlichen IT-Systeme der nationalen Zollbehörden und das Fehlen zentraler EU-Zolldatenbanken, was illegale Einfuhren und Wettbewerbsverzerrungen begünstigt.

Die vier Säulen der Reform

1. EU-Zolldatenplattform als digitales Herzstück

Das Kernstück der Reform ist die Einführung einer zentralen EU-Zolldatenplattform (EU Customs Data Hub). Diese revolutionäre Plattform soll es Wirtschaftsbeteiligten ermöglichen, alle zollrelevanten Informationen über eine einzige Schnittstelle bereitzustellen . Die Plattform wird nicht nur die bestehenden nationalen IT-Systeme ersetzen, sondern auch anderen Beteiligten wie Spediteuren und Lagerbetreibern offenstehen. Ein besonderer Vorteil: Lieferketten-Informationen können für künftige Ein- und Ausfuhren wiederverwendet werden.

Vollständige Digitalisierung der Zollverfahren Die Juni 2025 vereinbarten Neuerungen sehen vor, dass traditionelle Zollanmeldungen vollständig entfallen und durch die digitale Bereitstellung von Daten ersetzt werden. Dies führt zu einem intelligenteren, datengesteuerten Ansatz für die Importüberwachung.

2. Neue EU-Zollbehörde (EUCA) übernimmt zentrale Koordination

Die geplante European Customs Authority (EUCA) wird die Verwaltung des Data Hub und die damit verbundene Datenauswertung übernehmen . Diese neue Behörde wird Risikobewertungen durchführen und den Mitgliedstaaten mitteilen, welche risikobehafteten Waren an den Grenzen gestoppt werden sollen. Wichtig: Die Mitgliedstaaten behalten ihre Zuständigkeit für die Zollabfertigung und werden durch die EUCA lediglich unterstützt.

3. Trust-&-Check-Modell ergänzt bewährten AEO-Status

Entgegen ursprünglichen Plänen der Kommission bleibt der bewährte AEO-Status (Authorised Economic Operator) erhalten. Das neue Trust-&-Check-Modell tritt ergänzend hinzu und löst den AEO-Status ab, sobald er gewährt wird . Wirtschaftsbeteiligte, die seit mindestens zwei Jahren regelmäßig Zollvorgänge abwickeln und weitere Voraussetzungen wie finanzielle Solvenz erfüllen, können vom Trust-&-Check-Status profitieren. Diese Statusinhaber können unter bestimmten Bedingungen die Konformität ihrer Waren selbst überwachen und die Waren im Namen der Zollbehörden zum freien Verkehr überlassen.

4. Strengere Regulierung des E-Commerce

Die Reform bringt erhebliche Änderungen für den Onlinehandel mit sich. Die Zollbefreiung für Warensendungen unter 150 EUR wird aufgehoben . Zusätzlich wird eine Bearbeitungsgebühr (Handling Fee) für B2C-E-Commerce-Sendungen eingeführt, deren Einnahmen für die Unterhaltung des EU Customs Data Hub verwendet werden sollen. Diese Gebühr könnte auf 0,50 EUR pro Sendung reduziert werden, wenn der Importeur beim neuen Trust-&-Check-System registriert ist.

Besonders bedeutsam: Onlineplattformen und -händler werden als „fiktive Einführer“ behandelt und somit für die Entrichtung von Zollabgaben und Mehrwertsteuer verantwortlich gemacht.

EU-Zollreform Customs 2030

Zeitplan und aktuelle Entwicklungen

Beschleunigter Zeitplan nach Juni 2025: Die erfolgreichen Trilog-Verhandlungen im Juni 2025 haben den ursprünglichen Zeitplan erheblich beschleunigt. Während ursprünglich ein Inkrafttreten der Reform nicht vor Januar 2028 erwartet wurde, könnte die Umsetzung nun früher erfolgen. Die Einigung zwischen Rat, Parlament und Kommission schafft die Grundlage für eine zügige Verabschiedung der finalen Gesetzgebung.

Besondere Bedeutung für den Agrarhandel: Der Rat hat ein Teilverhandlungsmandat verabschiedet, das wichtige Weichenstellungen für verschiedene Handelsbereiche, insbesondere den Agrarhandel, enthält . Diese sektorspezifischen Regelungen zeigen die Reichweite der Reform über alle Wirtschaftsbereiche hinweg.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Betroffene Wirtschaftsteilnehmer sollten sich bereits jetzt über die laufenden Entwicklungen informieren und frühzeitig die Weichen für die zukünftigen Vorgaben stellen. Dies betrifft insbesondere:

  • Onlineplattformen und -händler: Vorbereitung auf neue Verantwortlichkeiten als „fiktive Einführer“
  • Exporteure und Importeure: Prüfung der Voraussetzungen für den Trust-&-Check-Status
  • Logistikdienstleister: Anpassung der IT-Systeme für die Integration in den EU Customs Data Hub
  • Agrarhändler: Besondere Aufmerksamkeit für die sektorspezifischen Neuregelungen

Die EU-Zollreform stellt einen historischen Schritt in Richtung einer digitalisierten und harmonisierten Zollunion dar, der sowohl Chancen als auch Herausforderungen für die Wirtschaft mit sich bringt. Die erfolgreichen Verhandlungen im Juni 2025 haben den Weg für eine zeitnahe Umsetzung geebnet.


Quellen:

Steven Schindler

Steven Schindler begleitet die BEX seit ihrer Gründung und steht unseren Kunden als Experte im Bereich Export und Außenhandel zur Seite. Seine besondere Expertise liegt in der ATLAS Ausfuhr. Als Projektleiter verantwortet er zudem die Entwicklung und Integration unserer SAP-Schnittstellen und sorgt damit für nahtlose Systemübergänge.