Wenn es um handelspolitische Nachrichtenmeldungen geht, ist oft die Rede von „Handelskriegen“ und „Strafzöllen“. Doch auch die enorme wirtschaftliche Bedeutung von Freihandelsabkommen für den Welthandel findet immer mehr Beachtung. Zu groß sind auch die damit verbundenen Chancen den weltweiten Markt neuzugestalten, als vor oft unbegründeten Vorbehalten gegen den freien Handel zurückzuschrecken. In diesem Beitrag erklären wir den Begriff Freihandelsabkommen und geben einen Überblick zu wichtigen Freihandelsabkommen der EU.
Inhaltsverzeichnis:
- Was sind Freihandelsabkommen?
- Welche Chancen ergeben sich aus Freihandelsabkommen?
- Handelsabkommen und Freihandelsabkommen der EU
Was sind Freihandelsabkommen?
Freihandelsabkommen (auch Foreign Trade Agreement, kurz FTA) unterliegen einem völkerrechtlichen Vertrag, der Beschlüsse über den Handel zwischen zwei oder mehr Staaten festhält. Ziel des Abkommens ist es, Hürden beim zwischenstaatlichen Handel zunehmend abzubauen. Dazu gehören zum einen tarifäre Handelshemmnisse, also Zollabgaben für den Import von Waren im Partnerland, sowie nichttarifäre Handelshemmnisse, wie etwa:
- Beschränkungen des Warenverkehrs
- Importquoten
- Subventionen
Freihandelsabkommen können jedoch auch gemeinsame Standards rund um geistiges Eigentum oder den Investitionsschutz zum Ziel haben.
Unterschied zwischen Freihandelsabkommen und Zollunionen
Wichtig: Trotz eines Freihandelsabkommens behalten die Staaten ihre Autonomie, wenn es um handelsrechtliche Belange mit Drittstaaten geht. Genau dadurch unterscheidet sich eine Freihandelszone – also eine Zone zwischen mehreren Staaten mit entsprechendem Abkommen – von einer Zollunion. Deshalb gilt, dass nicht jedes Freihandelsabkommen sofort eine Zollunion ist, jede Zollunion jedoch auch jeweils ein Freihandelsabkommen ist.
Freihandelsabkommen im Unterschied zu anderen Handelsabkommen
Freihandelsabkommen unterscheiden sich, strenggenommen, inhaltlich außerdem von anderen Arten von Handelsabkommen. Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) konzentrieren sich auf den Wirtschaftswachstum in bestimmten Regionen, darunter Afrika und der Karibische Raum. Gegenstand eines Assoziierungsabkommens hingegen sind viele verschiedene zwischenstaatliche Beschlüsse auf politischer Ebene.
Nicht zuletzt gibt es auch Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA), die vor allem zwischen der Europäischen Union und vielen osteuropäischen sowie zentralasiatischen Ländern bestehen. Kern dieser Abkommen sind vielfältige Abmachungen in Bereichen wie Handel, Wissenschaft, Migration oder organisierte Kriminalität. Im Gegenzug profitieren die EU-Vertragspartner von Kooperationen bei EU-Beschlüssen.
Welche Arten von Freihandelsabkommen gibt es?
Bei den Freihandelsabkommen der EU unterscheidet man grundsätzlich zwischen drei verschiedenen Arten, abhängig von der Zusammensetzung der Vertragsstaaten:
- Bilateral: Freihandelsabkommen zwischen zwei Staaten
- Multilateral: Freihandelsabkommen zwischen allen Staaten der WTO
- Plurilateral: Freihandelsabkommen mit bestimmtem inhaltlichem Schwerpunkt zwischen ausgewählten Staaten der WTO
Welche Chancen ergeben sich aus Freihandelsabkommen?
Die Handelsabkommen der EU sollen zahlreiche wirtschaftliche Chancen eröffnen, darunter:
- zusätzliche Markterschließung
- neue Möglichkeiten zur Investition
- mehr Wettbewerb (ausschlaggebend für Innovation)
- für inländische Konsumenten: größeres Produktangebot, niedrigere Preise
- für Unternehmen: wegfallende Zollabgaben, weniger Bürokratie und damit weniger Kosten und Aufwand im internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehr
Handelsabkommen und Freihandelsabkommen der EU
Abgesehen von der multilateralen Handelsliberalisierung unter der Welthandelsorganisation (WTO) sind präferenzielle Handelsabkommen ein zentraler Baustein in der Handelsstrategie der EU. Bei diesen Abkommen können Unternehmen in der Regel für den Warenverkehr zwischen den Vertragsstaaten mit einer Präferenzkalkulation Zollabgaben sparen.
Bei den Handelsabkommen der EU sind die Handelspartner geographisch auf der ganzen Welt verteilt. Im Folgenden geben wir vor allem eine Übersicht zu einigen Freihandelsabkommen der EU.
Australien
Seit 2018 gab es Bemühungen um ein Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Australien. Für letzteres spielt die Handelsbeziehung zur EU eine wichtige Rolle. Die EU-Staaten hingegen zielten auf ein Abkommen mit Australien ab, um durch die australischen Ressourcen mehr Unabhängigkeit von Ländern wie China zu erreichen. Im Oktober 2023 wurde bekannt, dass die Verhandlungen zwischen EU und Australien über ein mögliches Freihandelsabkommen vorerst gescheitert waren. Grund dafür waren vor allem Unstimmigkeit im Bereich der Landwirtschaft.
Kanada (CETA)
Das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen EU-Kanada (kurz CETA für Comprehensive Economic and Trade Agreement) ist ein internationales Freihandelsabkommen. Das Handelsabkommen mit Kanada wurde 2017 vorläufig unterzeichnet. Während die Ratifizierung des Abkommens durch Deutschland Anfang 2023 erfolgte, steht dieser Prozess bei mehreren EU-Mitgliedsstaaten noch aus.
Durch die Ankurbelung des gegenseitigen Handels wird das CETA Arbeitsplätze und Wachstum schaffen – und neue Chancen für Ihr Unternehmen. Kanada ist ein großer Markt für Europas Exporte und verfügt über große Mengen an natürlichen Ressourcen, die Europa braucht.
Außerdem ist das CETA fortschrittlich. Es geht über einen Zollabbau hinaus, indem es den Menschen und der Umwelt uneingeschränkt Rechnung trägt. Auf diese Weise wird es einen weltweiten Standard für künftige Handelsabkommen setzen.
Japan (EPA bzw. JEFTA)
Die größte Freihandelszone der Erde ging am 01.02.2019 an den Start: das Freihandelsabkommen zwischen EU und Japan (auch EPA oder JEFTA für Japan-EU Free Trade Agreement). Dies erleichtert zahlreichen produzierenden EU-Industrien wie dem Automobilsektor, der Chemie- und Pharmabranche, dem Maschinenbau, der Konsumgüterindustrie sowie der Lebensmittel- und der Baubranche den Zugang zum Markt in Fernost wesentlich. Mit rund 125 Millionen Einwohnern und einem BIP von rund 4,2 Billionen USD ist Japan die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt.
Mercosur
Unter großen Jubel in der Kommission verkündete EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström am 29.06.2019 die Einigung in den Verhandlungen mit den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay). Das Präferenzabkommen soll vor allem europäischen Automobil-, Chemie- und Maschinenbaufirmen Vorteile im internationalen Wettbewerb verschaffen.
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Mexiko
Im Jahr 2000 trat das erste Freihandelsabkommen der EU mit Mexiko in Kraft. Dieses umfasste hauptsächlich Geschäfte mit industriellen Gütern. 2016 starteten Verhandlungen über ein neues Abkommen. Es sollte unter anderem um Agrar- und Lebensmittelprodukte, Dienstleistungen sowie staatliche Aufträge erweitert werden. Für die neuen Verträge waren zudem weitere Arbeitsrechts- und Umweltstandards geplant. Für europäische Automobilfirmen soll es dadurch attraktiver werden, in mexikanische Produktionsstätten zu investieren. Auch im Energie- und im Bausektor sollen sich für europäische Unternehmen Chancen ergeben.
Singapur (EUSFTA)
Beim Freihandelsabkommen zwischen EU und Singapur geht es um die Erweiterung der Geschäftsmöglichkeiten der Partner in den Branchen Finanzen, Dienstleistungen, Transport und Telekommunikation. Das Abkommen nennt sich auch European Union Singapore Free Trade Agreement (EUSFTA). Im Februar 2019 stimmte das EU-Parlament den Beschlüssen zu, welches zuvor in ein separates Handels- und Investitionsabkommen gesplittet werden musste.
Im Dezember wurden die Verhandlungen für das gemeinsame Abkommen EUSFTA (European-Union-Singapore-Free-Trade-Agreement) abgeschlossen. Mit Ausnahme des Themas Investitionsschutz. Die Verhandlungen darüber erfolgten zwar bereits Oktober 2014, jedoch wurde erst noch das Urteil vom EuGH abgewartet, welches 2017 folgte. Die Problematik war, dass Teile des Abkommens mit Singapur in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fallen, während andere Teile wie beispielsweise Portfolioinvestitionen auch in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten fällt. Dies hatte zur Folge, dass das Abkommen in separate Freihandels- und Investitionsschutzabkommen aufgesplittet werden musste.
ASEAN
Durch das Inkrafttreten des Freihandelsabkommens Regional Comprehensive Economic Partnership Agreement im Januar 2022 wird der Waren- und Dienstleistungsverkehr aller Mitgliedsländer um etwa 25% entlastet. Betroffen sind die Südostasiatischen Nationen (ASEAN) und fünf asiatisch-pazifische Länder. Das Abkommen veranlasst den Abbau von Zöllen und nicht tariflichen Standards über die anstehenden Jahre. Die Unterzeichner sind: Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam, Australien, China, Japan, Neuseeland und Südkorea. Ziel des Freihandelsabkommens ist es, den regionalen Handel sowie die zukünftigen Investitionen der Mitgliedsländer zu stärken. Mit dem Eintritt des Abkommens könnten circa 65% der gehandelten Waren zollfrei verkauft werden. Nach nun mehr als acht Jahren sowie 31 Verhandlungen trat der Vertrag 2022 über das weltweit größte Freihandelsabkommen in Kraft.
Vietnam
EVFTA – die Abkürzung für EU-Vietnam Free Trade Agreement – bezeichnet ein Freihandelsabkommen der EU mit Vietnam. Bereits 2016 schloss die EU die Verhandlungen mit Vietnam über den weitreichenden Abbau von Handelsbarrieren erfolgreich ab. Das Abkommen erleichtert vor allem der chemischen und pharmazeutischen Industrie, den Herstellern von Konsumgütern, Lebensmittelanbietern sowie Maschinenbaufirmen den Marktzugang. 2020 trat das Handelsabkommen in Kraft, zunächst vorläufig.
Ghana
Das Wirtschaftspartnerabkommen (WPA) mit Ghana beinhaltete bisher keine Ursprungsregeln, daher wurde bisher die Verordnung für einseitige Abkommen der AKP Staaten angewandt. Somit galten ausschließlich Vorteile bei der Einfuhr in die EU aus Ghana. Das Abkommen wurde mit Veröffentlichung am 20.08.2020 angepasst und enthält seither Ursprungsregeln.
Neuseeland
Die EU und Neuseeland arbeiten zurzeit an einem Freihandelsabkommen, das voraussichtlich 2024 noch unterschrieben werden soll. Durch das Abkommen und die dadurch entstehende Zollfreiheit für viele EU-Exporte ist ein Wachstum von bis zu 30 Prozent im Handel zwischen den zwei Vertragspartnern zu erwarten. Das Handelsabkommen steht dabei für eine moderne Generation von EU-Abkommen, das unter anderem Regelungen zum Thema Nachhaltigkeit, Geschlechtergleichstellung und der Subventionierung von fossilen Brennstoffen vorsieht.