Durchschnittliche Lagerdauer in der Präferenzkalkulation

Durchschnittliche Lagerdauer

Die durchschnittliche Lagerdauer ist ein wichtiger Indikator bei der Präferenzkalkulation – und zwar genau dann, wenn bei Ihrem Material-Bestand Waren mit präferenziellen und nicht-präferenziellen Ursprüngen nicht differenzierbar sind. Erfahren Sie hier, wie Sie einen korrekten Ursprungsnachweis ausstellen, wenn der Lagerbestand aus verschiedenen Regionen stammt.

Warum die durchschnittliche Lagerdauer wichtig ist – die Problemstellung

Um zu verstehen, warum die durchschnittliche Lagerdauer für die Zollabwicklung wichtig sein kann, hilft ein Blick auf einen bestimmten Sonderfall beim Ausstellen eines Ursprungsnachweises.

Bei Unternehmen steht häufig die Frage im Raum, wie man seinen Kunden einen korrekten Ursprungsnachweis ausstellen kann. Der Schlüssel dafür ist die Präferenzkalkulation, für die nicht nur die entsprechenden Listenregeln benötigt werden, sondern auch die Information, welchen präferenziellen Ursprung die eingesetzten Vormaterialien aufweisen. Durch getrennte Lagerhaltung oder eindeutige Kennzeichnung jeder Ware zu jedem Wareneingang ist dies möglich. Die Realität in vielen Produktionsbetrieben sieht jedoch anders aus:

Eine getrennte Lagerhaltung der Vormaterialien ist in vielen Unternehmen nicht möglich, sodass verschiedene Lieferungen des gleichen Materials auf demselben Platz im Lager aufbewahrt und gebucht werden. Die Differenzierung der Ursprungsaussagen dieser verschiedenen Lieferungen ist damit nicht mehr möglich.

Ein Beispiel:

Abbildung 1 - Nicht getrennt gelagerte Schrauben in einem Maschinenbauunternehmen

Abbildung 1: Nicht getrennt gelagerte Schrauben in einem Maschinenbauunternehmen

Ein Produzent von Maschinen bezieht M10-Schrauben von zwei Lieferanten. Lieferant A schickt eine Lieferantenerklärung mit dem Ursprung „Europäische Union“ (EU). Lieferant B bezieht seine Ware aus China, kann daher nur Drittland (CN) und damit keine Präferenz bestätigen. Der Maschinenproduzent bewahrt beide Schrauben-Lieferungen in derselben Kiste im Lager auf und entnimmt aus dieser Kiste für jede Produktion 10 Stück. Bei der Entnahme kann aber nicht festgestellt werden, ob es eine Schraube aus Europa oder China ist. Die Konsequenz ist, dass das Worst-Case-Prinzip für den durchschnittlichen Lagerzeitraum angewendet werden muss und die Schrauben schließlich ohne Präferenz in die Präferenzkalkulation einfließen.

Für genau diese Fälle gibt es eine Vereinfachung, die dabei helfen kann, eine differenzierte Aussage über die Vormaterialien abzugeben: die durchschnittliche Lagerdauer. Grundlage für die Anwendung der durchschnittlichen Lagerdauer ist die Dienstvorschrift Z 42 17 (buchmäßige Trennung).

 

Durchschnittliche Lagerdauer – Definition

Die durchschnittliche Lagerdauer informiert darüber, wie lange Materialien und Waren durchschnittlich im Lager verbleiben. Zum Beispiel: Mehrere Tage, mehrere Monate oder gar ein Jahr? Kennt ein Unternehmen die Dauer, für die Materialien im Durschnitt im Lager liegen, weiß es auch, wie lange der Lagerbestand im Schnitt vorhält, um für die Produktion oder den Verkauf an den Endkunden zur Verfügung zu stehen. Unternehmensintern kann die durchschnittliche Lagerdauer durch die Regulierung des Lagerumschlags optimiert werden. Die Dauer wird mit folgender Formel kalkuliert:

Durchschnittliche Lagerdauer = 360 Tage / Lagerumschlagshäufigkeit

Die Lagerumschlagshäufigkeit gibt an, mit welcher Frequenz ein Unternehmen den Material-Bestand im Jahr aufbraucht und wieder nachbestellen muss. Dieser Wert kann auch auf einzelne Produktgruppen angewandt werden. Je höher die Lagerumschlagshäufigkeit, desto besser für das Unternehmen. Denn ein hoher Wert kann nicht nur wirtschaftlichen Erfolg ausdrücken, sondern bedeutet zum Beispiel auch, dass durchschnittlich weniger Kapital lange gebunden ist, und mehr Kapital häufiger frei ist.

 

Durchschnittliche Lagerdauer als Faktor bei der Präferenzprüfung 

Zum Zeitpunkt der Kalkulation (Produktion) wird die durchschnittliche Lagerdauer hinzugezogen. Mithilfe der Dauer wird ein Betrachtungszeitraum festgelegt, für den die Ursprünge der Wareneingänge geprüft werden. Ein Beispiel: Beträgt die Lagerdauer im Durchschnitt sieben Tage und es wird an einem Montag kalkuliert, werden alle Lieferungen und deren Ursprünge innerhalb der letzten Woche geprüft, um eine Präferenzaussage zu treffen.

Bei mehreren Wareneingängen innerhalb dieses Zeitraumes wird die Präferenz anhand des Worst-Case-Prinzips ermittelt. Ist dabei der Eingang einer Ware ins Lager aufgrund ihres Ursprungs nicht präferenzberechtigt, kann für Warenstücke, die innerhalb des Betrachtungszeitraums aus dem gesamten Lagerbestand der Ware entnommen wurden, keine Präferenz gewährt werden.

 

Die Vorgehensweise im Überblick 

Sie möchten eine Präferenzaussage über eine Ware treffen, deren Lager mit Lieferungen aus präferenziellen und nicht-präferenziellen Ursprüngen gefüllt wird? Dann befolgen Sie folgende Schritte:

  1. Berechnen Sie, wie lange die Ware durchschnittlich im Lager liegt.
  2. Berechnen Sie den Betrachtungszeitraum. Rechnen Sie die Zeit der durchschnittlichen Lagerdauer vom Zeitpunkt der Präferenzbewertung aus zurück.
  3. Prüfen Sie, welche Lieferungen in dieser Zeit in das Lager eingegangen sind.
  4. Prüfen Sie, aus welchem Land die Lieferungen stammen.
  5. Legen Sie anhand der relevanten Wareneingänge, deren Ursprung sowie der Worst-Case-Regel fest, ob für die aus dem Lager entnommene Ware das Präferenzrecht gilt.

 

Präferenzaussagen auf Basis der Wareneingänge – 4 Fallbeispiele

Wie hängen die durchschnittliche Lagerdauer und Lieferungen in das Lager also mit der Präferenzaussage zusammen? Im Folgenden zeigen wir Ihnen konkrete Fallbeispiele, die veranschaulichen, wie sich die Präferenzaussage in Relation mit verschiedenen Wareneingängen ändert:

 

Fall 1: Zwei Wareneingänge mit präferenziellem und nicht-präferenziellem Ursprung (QU)

Abbildung 1 Zwei verschiedene Wareneingänge innerhalb der Lagerdauer

Abbildung 2: Zwei verschiedene Wareneingänge innerhalb der Lagerdauer

In Abbildung 2 sind innerhalb der Lagerdauer zwei Mal Waren in das Lager eingegangen – und zwar Waren mit verschiedenen Ursprungsländern (Zonen). Nach der Worst-Case-Betrachtung werden der Wareneingang mit Ursprung = Europa und der Wareneingang mit Ursprung = China gegenübergestellt und damit die Bewertung = nicht-präferenzieller Ursprung (QU) übernommen.

Fall 2: Ein Wareneingang mit nicht-präferenziellem Ursprung (QU)

Abbildung 2 - Lagerdauer mit Wareneingang mit Ursprung China

Abbildung 3: Lagerdauer mit Wareneingang mit Ursprung China

Abbildung 3 zeigt, dass innerhalb der Lagerdauer nur noch Waren mit Ursprung China in das Lager eingegangen sind. Waren, die aus Europa stammen, sind nur außerhalb des Betrachtungszeitraums in das Lager eingegangen. Damit zählt für die Bewertung von Warenstücken aus dem Lagerbestand nur noch der Wareneingang mit Ursprung China. Ihnen wird folglich die Bewertung „kein präferenzieller Ursprung (QU)“ zugeordnet.

 

Fall 3: Ein Wareneingang mit präferenziellem Ursprung  

Abbildung 3 - Lagerdauer mit Wareneingang mit Ursprung Europa

Abbildung 4: Lagerdauer mit Wareneingang mit Ursprung Europa

In Abbildung 4 ergibt sich aus der Lagerdauer, die durchschnittlich für eine Ware gilt, sowie dem Prüfzeitpunkt ein Betrachtungszeitraum, in dem nur eine neue Lieferung in das Lager eingegangen ist. Die Ware mit Ursprung China ist für die Präferenzaussage irrelevant; sie liegt für die Bewertung schon zu lange im Lager. Nur die Ware aus Europa, die in diesem Beispiel erst kürzlich in das Lager geliefert wurde, zählt. Damit gilt insgesamt ein präferenzieller Ursprung.

Fall 4: Kein Wareneingang

Abbildung 4 - Lagerdauer ohne Wareneingang

Abbildung 5: Lagerdauer ohne Wareneingang

Beschreibt die durchschnittliche Lagerdauer rückwirkend jedoch einen Zeitraum, in dem keine neue Ware in das Lager geliefert wurde, greift eine andere Regel: Erfolgte kein Wareneingang im Betrachtungszeitraum, wird immer der letzte Wareneingang für die Bewertung hinzugezogen. In diesem Fall stammt die Ware, die zuletzt in das Lager geliefert wurde, aus der Europäischen Union. Sie hat also einen präferenziellen Ursprung, welcher eine positive Gesamtbewertung bewirkt. Damit muss die Lagerdauer nicht künstlich erhöht werden.

Wareneingänge ins Lager und die durchschnittliche Lagerdauer bei der Präferenzaussage – Fazit

Halten wir als Fazit für das Eingangsbeispiel der Schrauben also fest: Sobald das Maschinenbauunternehmen die durchschnittliche Lagerdauer mit dem Zoll abgestimmt hat, kann es diese verwenden, um eine Aussage über die Präferenzgültigkeit zu treffen und nachzuweisen. Der Durchschnitt des Lagerungszeitraums legt wiederum einen Fall-spezifischen Betrachtungszeitraum fest, für den alle Wareneingänge ins Lager geprüft werden. Anhand dieser Informationen wird klar, wie die aus dem Lager entnommene Ware zu bewerten ist: präferenzieller Ursprung oder nicht-präferenzieller Ursprung (QU).

Dieser Artikel wurde von Pauline Wörner geschrieben.

Alexander Haun

Bei BEX bin ich im Bereich Produktmanagement tätig. Exportkontrolle, Warenursprung und Präferenzen gehören zu meinen Schwerpunktthemen. Für die fachlichen Beiträge zu den genannten Themengebieten bin ich im BEXblog verantwortlich. Haben Sie Fragen zu unseren Lösungen oder einem meiner Beiträge? Zögern Sie nicht uns zu kontaktieren.